Babys schreien lassen? Was passiert mit Kindern, die unter dieser grausamen Methode einschlafen müssen?

Wenn ich sogenannte „Ratgeber Bücher“, wie „Jedes Kind kann schlafen lernen“ im Buchhandel entdecke, verstecke ich sie direkt hinter den anderen Büchern. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum dieses Buch bis heute ein Bestseller ist. Jedes verkaufte Buch, welches Eltern dazu berät, ihr Baby in den Schlaf schreien zu lassen, ist für mich persönlich eines zu viel.

Genauso hat mir ein Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm „Elternschule“ förmlich das Herz zerrissen (und nicht nur dieser), indem eine Mutter in einer Gelsenkirchener Klinik dazu „genötigt“ wurde, mit ihrem Kleinkind ein Schlaftraining durchzuziehen. Das unbeschreibliche Leid des Kindes und seiner Mutter war für mich einfach nur grausam und absolut nicht in Worte zu fassen.

Ja, auch einige Kinderärzte empfehlen Eltern, ihre Kinder „kontrolliert schreien“ zu lassen. So sollen die Kleinen lernen, alleine ein- und durchzuschlafen. Viele Bindungsforscher und -wissenschaftler kritisieren diese Methode, Kinder in den Schlaf zu „begleiten“ allerdings sehr.

Denkt ihr darüber nach für euer Baby ein Schlaftraining auszuprobieren, weil aktuelle Medienberichte behaupten es sei unbedenklich? Hier sind 8 Gründe, warum ihr es lassen solltet. Alternativen zum Schlaftraining findet ihr unten im Beitrag.

1. Schlaftraining widerspricht dem natürlichen Babyschlaf

Diejenigen, die Schlaftrainings empfehlen, haben nicht verstanden, wie der natürliche Babyschlaf aussehen sollte. Babys und kleine Kinder schlafen nicht wie Erwachsene. Sie sind nicht dazu geschaffen und das aus sehr guten Gründen.

Niemand schläft durch! Egal in welchem Alter.

Wir alle schlafen in Zeitabschnitten auch „Schlafzyklus“ genannt. Bei jungen Babys beläuft sich dieser auf ca. 45 Minuten. Bei Erwachsenen auf ungefähr die doppelte Zeit. Am Ende jedes Schlafzyklus kann es sein, dass wir kurz leicht aufwachen, aber nicht komplett. Unbemerkt startet dann der nächste Schlafzyklus. Manchmal wachen wir auch richtig auf und es fällt uns sehr schwer zurück in den Schlaf zu finden. Während einer 8-stündigen Nachtruhe durchlaufen wir ca. 4 – 7 Zyklen. Bei Babys ist es nicht anders. Nur sind ihre Schlafzyklen viel kürzer als unserer. Es kann sein, dass sie bis zu 10 – 12 Mal die Nacht aufwachen. Das mag für die Eltern ermüdend sein, aber aus der Sicht des Babys ist es sehr von Vorteil:

 

  • Neugeborene verbringen fast den gesamten Schlaf im sogenannten „REM-Schlaf“ (Rapid Eye Movement = schnelle Augenbewegung). In dieser Phase gibt es Aktivitäten, die dem Wachzustand ähnlich sind. Das Gehirn ist sehr „aufgeweckt“. Es kommt zum Anstieg von Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz. Die Augen bewegen sich schnell, während die Lider geschlossenen sind. Die Skelettmuskulatur, die zur aktiven Bewegung benötigt wird, verfällt in einen so intensiven Entspannungszustand, dass es zu einer regelrechten Starre kommt. Eine Art „Schlaflähmung“, welche verhindert, dass intensive Träume körperlichen Bewegungen auslösen, die zu Verletzungen führen. Im REM-Schlaf wird besonders intensiv geträumt und das potenzielle Langzeitwissen wird gestärkt. Die Wissenschaft schließt daraus eine wichtige Rolle für die Entwicklung des zentralen Nervensystems. Das regelmäßige Aufwachen hält Babys sicher und schützt sie vor dem plötzlichen Kindstod. Vielversprechend tiefer und langer Schlaf ist unnatürlich und kann negative Konsequenzen haben. Mehr über den Schlafzyklus und seine Phasen findet ihr hier.

 

  • Babys haben außerdem einen eigenen Biorhythmus oder eine eigene „innere Uhr“. Das chemische Schlafsignal, welches uns alarmiert oder schläfrig macht, hängt von der Tageszeit ab. Babys unter vier Monate haben kein Gefühl für Tag und Nacht. Darüber hinaus beginnt ihr Biorhythmus auf einer ziemlich vergleichbaren Ebene zu funktionieren, wie die eines Erwachsenen. Auch wenn diese nicht völlig gleich sind und es sein kann, dass man noch bis ins Schulalter„Mitternachts Partys“ feiert – bis sich der Biorhythmus schlussendlich vollkommen eingependelt hat.

 

Einfach gesagt: Babys sind nicht dazu geschaffen, wie Erwachsene zu schlafen.

2. Schlaftraining übersteigt die Fähigkeiten von Babys

Schlaftraining setzt voraus, dass Babys so denken, wie Erwachsene – tun sie aber nicht! Wenn wir ängstlich, gestresst oder besorgt sind, sind wir in der Lage unsere Emotionen zu rationalisieren und uns selbst zu beruhigen. Zumindest die meisten von uns. Manche Erwachsene haben Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren. Ich bin sicher, ihr kennt ebenfalls jemanden, der schnell reizbar ist. Um unsere Emotionen zu regulieren, muss eine komplexe Kette neurologischer Ereignisse erfolgen, welches von einer hoch entwickelten Gehirnfunktion ausgeht. Babys verfügen nicht über diese hohe Gehirnfunktionalität. Ihre kleinen Gehirne brauchen Zeit, um sich zu entwickeln. Wenn wir nun den Versprechungen eines Schlaftrainings vertrauen und unser Baby auf sich allein gestellt lassen, sich „selbst beruhigen“ lassen, machen wir es gemäß der irrtümlichen Vermutung, dass diese kleinen Wesen es wirklich schaffen, ihre Emotionen selbst zu regulieren und ruhiger werden.

Das passiert aber nicht! Babys verbleiben in einem enormen Angstzustand, sie kommunizieren es nur nicht. Sie hören auf zu protestieren. Die kleinen scheinen leise zu sein, was aber nicht bedeutet, dass sie ruhig sind und schlafen gelernt haben. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Manche Babys sind von Natur aus ruhig, aber es ist wichtig, das nicht mit „Selbstberuhigung“ zu verwechseln.

 

Durch das Schlaftraining lernen die Kinder also nicht, sie schalten einfach nur ab. Und – kann ein Kind überhaupt schlafen lernen, wenn es zum Schlafen gezwungen wird? Wenn es vor Erschöpfung einschläft, weil einfach niemand auf sein Schreien reagiert?

Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster und die Autorin Nora Imlau erklären in ihrem Buch “Schlaf gut, Baby”*, warum die Kinder wirklich aufhören zu schreien:

“Sie machen das, was alle Säugetiere tun, wenn sie in einer ausweglosen Situation feststecken: Sie werden stumm. Sie verfallen in das, was Biologen als Schutzstarre bezeichnen: Wer weder durch Kämpfen noch durch Fliehen weiterkommt, tut gut daran, Energie zu sparen. Und wer gelernt hat, dass sowieso keine Hilfe kommt, sollte nicht auch noch Raubtiere auf sich aufmerksam machen. Dass das Kind ruhig ist, heißt also noch lange nicht, dass es schlafen gelernt hat. Es hat gelernt, nicht zu protestieren.”

 

 

Karl Heinz Brisch, Bindungsforscher und Kinderpsychiater, bezeichnet diese Schutzstarre als dissoziativen Zustand. Das bedeutet: Die Kinder schalten einfach ab.

Brisch erklärt, wenn Kinder schreien und brüllen, aber nicht getröstet werden, sei das für die Kinder eine emotional traumatische Erfahrung.

Um sich vor dem emotionalen Schmerz und der Trauer zu schützen, schalteten Babys und Kleinkinder ihre Gefühle ab und spürten nichts mehr. Im Gespräch mit der HuffPost erklärt Brisch, der die Abteilung Kinderpsychosomatik im Dr. von Haunerschen Kinderspital an der Ludwig-Maximilians-Universität München leitet, weiter:

“Wenn man die Kinder schreien lässt, dann verankert sich bei ihnen das Gefühl ‘ich bin alleine, ich bin in Ohnmacht, ich bin in Panik, ich bin hier ausgeliefert und niemand kommt, ich werde sterben, weil ich ohne Hilfe nicht überleben kann’. Und dieses Gefühl von Panik und Ohnmacht ist nicht aushaltbar für die Babys. Deshalb dissoziieren sie, schalten ab. Und dann spüren die Kinder keine Angst mehr, keine Panik, keinen Hunger, keinen Durst mehr, gar nichts – sie melden sich gar nicht mehr.”

Diese Kinder liegen dann nachts wach im Bett, haben Angst oder Hunger, aber melden sich nicht. Babys und Kleinkinder, die sich daran gewöhnt haben sich nachts nicht zu melden, da sie schreien gelassen wurden, schlafen aber nicht etwa durch. Wie bei Punkt 1) bereits erwähnt, wachen sie, wie alle Babys auf der ganzen Welt nachts auf. “Diese Kinder liegen dann nachts wach im Bett, haben Angst oder Hunger, aber melden sich nicht”, sagt Brisch. Und weiter:

“Sie haben schon sehr früh gelernt, grundlegende, überlebenswichtige Bedürfnisse abzuschalten, sogar ihr Hungergefühl nicht mehr wahrzunehmen und deswegen auch nicht mehr zu weinen.”

3. Schlaftraining funktioniert nicht langfristig

Interessant ist die Untersuchung der Langzeitergebnisse des Schlaftrainings. Wenn ihr eurem Baby einem Schlaftraining unterzogen habt und eine kurzfristige Verbesserung des Schlafverhaltens erlebt habt, würdet ihr sicher erwarten, dass die Verbesserung länger als nur ein paar Monate anhält, nicht wahr? Das ist aber nicht das, was Schlafforscher herausgefunden haben. Eine groß angelegte Studie, die sich mit den Langzeiteffekten des Schlaftrainings befasste und zu beweisen versuchte, dass es keine negativen Auswirkungen hatte, ergab dennoch, dass das Schlaftraining auf lange Sicht keine positiven Effekte hatte.

 

Mit anderen Worten: Babys, die einem Schlafprogramm unterzogen wurden, schliefen im Endeffekt nicht anders, als Babys ohne Schlaftraining.

4. Schlaftraining funktioniert – wenn überhaupt – nur kurzfristig

Viele scheinen zu glauben, dass Schlaftraining immer funktioniert. Tut es nicht! Sarah Ockwell-Smith, Mutter von vier Kindern, ist eine bekannte Erziehungsexpertin und eine hoch angesehene, beliebte Erziehungsautorin, die sich auf die Psychologie und Wissenschaft der Erziehung, „sanfte Erziehung“ und Bindungstheorie spezialisiert hat. Hier findet ihr eine Reihe ihrer Bücher*. Sarah arbeitet im Jahr mit hunderten von Eltern, die oft Hilfe suchend zu ihr kommen, nachdem sie – erfolglos – mit konventionellen Schlaftrainern zusammengearbeitet haben.

Andere haben die Anweisungen eines Schlaftrainings-Buches befolgt und verstehen nicht, warum das Schlafprogramm bei ihrem Baby nicht funktioniert. In den meisten Fällen, hat sich der Babyschlaf durch das konventionelle Schlaftraining verschlechtert. Die Eltern befinden sich dann in einer schlimmeren Situation als vor dem Beginn des Schlaftrainings. Die meisten Schlafübungen beruhen darauf, dass der Drang des Babys, nach seinen Eltern zu rufen (zu weinen), wenn es einsam, erschrocken, ängstlich, hungrig etc. ist oder sich unbehaglich fühlt, gebrochen wird. Manchmal jedoch, ist der Drang und das Bedürfnis des Babys so stark, dass das Baby es nicht schafft still zu werden bzw. den Anschein erweckt beruhigt zu sein. Stattdessen können sie immer beunruhigter und verzweifelter werden, um ihre Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Einige Eltern haben eher den Eindruck, dass ihr Baby nach einem Schlaftraining anhänglicher geworden ist.

5. Schlaftraining kann das Vertrauen des Babys zu seinen Eltern zerstören

Als Eltern möchtet ihr sicherlich, dass euer Baby heranwächst und weiß, dass es euch absolut vertrauen kann. Genauso möchtet ihr wahrscheinlich, dass euer Kind weiß, dass ihr immer für es da seid und es mit all seinen Problemen zu euch kommen kann. Wie soll Schlaftraining positiv dazu beitragen? Wie soll Schlaftraining ihr Vertrauen in euch aufbauen?

Ganz im Gegenteil. Ihr nächtliches Weinen und Schreien mag anstrengend und lästig sein, aber sie weinen aus einem Grund – sie brauchen euch! Wenn ihr auf das Schreien eures Babys nicht mit der Beruhigung und der Befriedigung des jeweiligen Bedürfnisses reagiert (was nicht nur mit einem kurzen Streicheln und einem „schhhhhh“ getan ist), besteht die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Vertrauen in euch sehr beeinträchtigt wird. Wenn sie schon im Babyalter nicht darauf vertrauen können, dass ihr ihnen bei Problemen zur Hilfe kommt, wie sollen sie euch ihre Probleme anvertrauen können, wenn sie älter sind?

Darüber hinaus durchleben die meisten Babys eine völlig normale Phase, die als Trennungsangst bekannt ist. Diese Phase ist wirklich ein sehr gutes psychologisches Zeichen, auch wenn es sich nicht danach anfühlt, wenn euer Baby, sobald ihr es hingelegt habt, sofort mega aufgebracht ist. Was Babys in dieser Phase brauchen, ist die kontinuierliche Sicherheit, dass es EUCH gut geht, dass ihr wiederkommt, dass ihr sie nicht verlasst. In dieser wichtigen Phase lernt das Baby euch zu vertrauen. Tut es das nicht, weil ihr seine Bedürfnisse durch das Schlaftraining nicht erfüllt, werdet ihr die Auswirkungen dessen – wahrscheinlich – zu einem späteren Zeitpunkt zu spüren bekommen.

6. Schlaftraining lässt echte Probleme unberücksichtigt

Während unterbrochener Schlaf ganz gewöhnlich bei allen Babys ist, gibt es einige Fälle, in denen der Schlaf nicht normal ist. Diese Fälle werden beim konventionellen Schlaftraining oft übersehen. Das könnte später zu größeren Problemen führen.

Erstens gibt es mögliche physische Gründe:

 

  • zu kurzes Zungenbändchen
  • Allergie gegen Kuhmilcheiweiß
  • Laktose Intoleranz
  • Lebensmittelunverträglichkeit
  • Reflux
  • gestörte Darmflora
  • Schädelkompression
  • Geburtsverletzung
  • sowie Schlafapnoe

 

Dann gibt es mögliche Umweltgründe; zu viel künstliches Licht, zu hohe Raumtemperatur, unzureichende Bettausstattung, falsches Timing, und dergleichen. Manchmal verändert sich das Schlafverhalten auch in Folge einer Impfung. Und schließlich gibt es potenzielle psychologische Gründe:

 

  • Das Bedürfnis nach einer stärkeren Verbindung (insbesondere mit einer arbeitenden Mutter)
  • Das Bedürfnis nach Beruhigung bei Trennungsangst, Entwicklungssprüngen und -stadien.

 

Das Schlaftraining lässt diese Punkte zumeist außer Acht. Ein weiterer Punkt, warum Babys nachts wach werden ist, dass sie ihr Geschäft erledigen wollen. Ja, auch Babys sagen schon Bescheid bzw. signalisieren, wann sie müssen. Nicht nur tagsüber, sondern auch in der Nacht. Und das von Geburt an. Unsere drei Kinder haben es auf jeden Fall ALLE gemacht. Tagsüber fingen sie an mit den Beinchen zu strampeln und ein spezielles Geräusch von sich zu geben. Nachts wurden sie unruhig und fingen an zu quengeln. Babys sind nämlich von Natur aus keine Bettnässer. Aber das ist ein anderes Thema.

7. Schlaftraining untergräbt die Entwicklung der Autonomie

Viele Eltern haben Angst, dass sich ihre Babys ohne Schlaftraining zu ängstlichen, klammernden Kindern entwickeln, die niemals unabhängig werden. Dies ist ein weiteres grobes Missverständnis des Großteils der Gesellschaft. Man kann ein Kind nicht zwingen, unabhängig zu sein. Die einzige Möglichkeit ein unabhängiges Kind großzuziehen besteht darin, ihm zu erlauben, von seinen Eltern abhängig zu sein, solange es das Bedürfnis danach hat. Wenn sie sich sicher genug fühlen, werden sie langsam beginnen, sich allein in die Welt zu verzweigen. Wenn ihr sie zwingt, sich von euch zu lösen, bevor sie bereit dazu sind, werdet ihr sie weniger unabhängig und ängstlicher machen.

Dazu bleibt es nicht ohne Folgen, sein Baby/Kleinkind in den Schlaf schreien zu lassen. Derartige Schlaftrainings, können nicht nur die Eltern-Kind-Bindung stark belasten, sondern auch zu tiefgehenden Ängsten im Erwachsenenalter führen.

Brisch erklärt, dass die emotionale Erfahrung des Alleingelassen werdens Ängste hinterlässt. “Es gibt zum Beispiel Menschen“, erläutert er, „die das erlebt haben und die auch als Erwachsene nicht im Dunkeln schlafen können, oder bei denen Alleinsein ein Panikgefühl auslöst, obwohl sie objektiv nicht in Gefahr sind.”

Wenn Babys zu oft Schreien, ohne beruhigt zu werden, kann sogar das Gehirn Schaden nehmen. Wie Brisch beschreibt, führt das Schreien nämlich dazu, dass das Gehirn des Babys mit Stresshormonen überschüttet wird:

“Im Gehirn werden Schmerzschaltkreise aktiviert, die denen durch körperliche Schmerzen sehr ähnlich sind. Die Stressreaktionssysteme des Gehirns können so dauerhaft auf Überempfindlichkeit programmiert werden. Ein möglicher Langzeiteffekt von wiederholter Trennungsangst ist demnach eine erhöhte Stressempfindlichkeit im Erwachsenenalter.”

 

Was passiert im Gehirn eines schreienden Babys?

Die britische Kinderpsychologin und Psychotherapeutin Margot Sunderland erklärt in ihrem Buch “Die neue Elternschule”*, was genau alles im Gehirn eines Babys passiert, wenn es, ohne beruhigt zu werden, schreien gelassen wird und die Folgen: Auf Gehirnscans wurde ersichtlich, was frühkindlicher Stress verursachen kann. Er kann dazu führen, dass das Stressreaktionssystem eine dauerhafte Überempfindlichkeit einprogrammiert. Das kann ein Kind im späteren Leben anfällig machen für Angststörungen, Depressionen, Alkoholmissbrauch und stressbedingte körperliche Erkrankungen, wie bspw. Herzerkrankungen, Schlaflosigkeit, Panikattacken, Probleme mit der Atmung wie Asthma, Ess- und Verdauungsstörungen, Bluthochdruck, Muskelverspannung, Kopfschmerz und chronische Müdigkeit.

Zusätzlich beschreibt Sunderland eine weitere erschreckende Langzeitfolge des Schreienlassens:

“Auf Hirnscans von Kindern, die stark unter ungetröstetem Kummer litten, erscheint der Hippocampus leicht geschrumpft. Wir wissen nicht, inwieweit dieser Zelltod die Gedächtnisleistung des Kindes beeinflusst, jedoch schneiden Erwachsene mit einem geschrumpften Hippocampus bei Gedächtnisaufgaben und verbalen Denkaufgaben schlechter ab.

Hirnscans haben gezeigt, dass der Hippocampus eines stark gestressten Kindes dem eines alten Menschen ähnelt. Manche Wissenschaftler bewerten frühkindlichen Stress als Risikofaktor für einen vorzeitigen Alterungsprozess dieses Teils des Gehirns.”

 

 

Dementsprechend ist es für die seelische und körperliche Gesundheit eines Kindes sehr entscheidend, dass seine Signale von seinen Eltern wahrgenommen werden und auf die jeweiligen Bedürfnisse eingegangen wird. Es geht darum zu verstehen, dass Kinder aus einer Not heraus nach ihren Eltern schreien und nicht, weil sie „tyrannisieren“ wollen.

 

Ihr könnt euer Kind nicht zu viel halten. Ihr könnt es mit Liebe nicht verwöhnen. Haltet es, immer wieder. Haltet es, solange es euch braucht.

8. Schlaftraining ist anstrengend und schrecklich

Sarah Ockwell-Smith erklärt, sie habe noch keinen einzigen Elternteil getroffen, der mit seinem Baby ein Schlaftraining praktiziert hat und gesagt hat: „Es war in Ordnung, es war gut“. Jeder einzelne von ihnen kommentiert, wie schwer und bedrückend es war, das Kind weinen zu sehen, es einfach schreien zu lassen und seine Bedürfnisse nicht zu befriedigen. Nicht nur für die Babys ist Schlaftraining mit großem Leid verbunden, sondern gleichermaßen für die Eltern.

Alternativen zum Schlaftraining

Zum Glück gibt es eine Vielzahl an alternativen Methoden sein Baby liebevoll und bedürfnisorientiert in den Schlaf zu begleiten. Dabei kann man natürlich nicht davon ausgehen, dass sie bei jedem Kind gleich gut funktionieren. Was bei dem einen Kind wunderbar hilft, kann bei dem anderen Kind weniger passend sein. Man muss für sich selbst ausprobieren, welche Methode für sich und sein Kind am stimmigsten ist. Demzufolge sollten Eltern genau hineinfühlen, was ihr Baby für ein Bedürfnis hat, unter welchen Umständen es sich am wohlsten fühlt, was ihm und auch den Eltern guttut, was es braucht, um zufrieden und geborgen einschlafen zu können. Dabei ist es vollkommen egal, was andere darüber denken.

Einschlafstillen

Eine Methode, die bei vielen Babys zuverlässig funktioniert, aber bei Kritikern sehr verpönt ist. Der Gedanke ist, dass sich die Babys zu sehr an das Einschlafen an der Brust gewöhnen und es später umso schwerer fällt, sie wieder vom Einschlafstillen zu entwöhnen. Dies kann passieren, muss es aber nicht. Viele Kinder gewöhnen sich das Einschlafen an der Brust von alleine ab. Alternativ gibt es noch die Möglichkeit des sanften Ablösens, um das Kind langsam von der Brust abzugewöhnen.

Vorteil des Einschlafstillens ist, dass das Baby sich an der Brust, im Schutz seiner Mama besonders geborgen fühlt und entspannter einschlafen kann. Des Weiteren enthält die abendliche und nächtliche Muttermilch besonders viel Tryptophan. Es handelt sich hierbei um eine Aminosäure, welche in Serotonin umgewandelt wird – ein Glückshormon, welches den Körper ruhig und zufrieden stellt und für die Reduzierung von Ängsten, Kummer und Stress sorgt. Zudem hat es eine Schlaffördernde Wirkung. Durch das Serotonin wird wiederum Melatonin produziert, das Schlafhormon schlecht hin, welches von Babys selber noch nicht ausreichend produziert wird. Auch der Tag- und Nachtrhythmus werden von diesen beiden Hormonen geregelt.

Schlafen im Familienbett

Genauso gut wie das Einschlaftstillen funktioniert oft das Schlafen im gemeinsamen Familienbett, bei dem die Familie gemeinsam in einem Bett schlaft. Manchmal auch nur ein Teil der Familie, wenn der Papa so laut schnarcht, dass er alle aufweckt 😀

Babys fühlen sich hier, direkt neben ihren geliebten Bezugspersonen, besonders sicher und geborgen, was ihnen ermöglicht, schneller in den Schlaf zu finden oder wieder einzuschlafen, wenn sie mal aufwachen. Auch für die Mütter ist das Schlafen im gemeinsamen Familienbett sehr von Vorteil, da sie direkt neben ihrem Baby liegen und zum Stillen nicht extra aufstehen oder das Baby ins Bett holen müssen. So kann die Mama ganz entspannt weiterschlafen, während das Baby sich wieder in den Schlaf stillt. Auch das Kind profitiert davon, dass es nicht erst aus dem Bett gehoben werden muss, sondern einfach weiterliegen kann.

Es wird oft von Kritikern gewarnt, dass das Schlafen im Familienbett ein potenzielles Risiko für den plötzlichen Kindstod darstellt. Allerdings zeigen neue Studien mittlerweile auf, dass das Schlafen neben der Mama sehr sicher ist.

 

Tragetücher oder Babytragen

Viele Mütter greifen zur Alternative Tragetuch*, wenn ihr Baby Einschlafschwierigkeiten hat. Die Vorteile liegen, denke ich, klar auf der Hand. Angeschmiegt an Mamas warmen Körper, ihrem Atem und Herzschlag, ihrer Stimme lauschend, genießen viele Babys die starke Verbundenheit zu ihrer Mama im Tragetuch sehr. Das Getragenwerden erinnert sie an das geborgene Gefühl aus dem Mutterleib und lässt sie entspannt einschlafen. Viele Babys stillen gleichzeitig, während sie getragen werden. Ist das Baby eingeschlafen, kann man es langsam und behutsam versuchen ins Bett zu legen. Sollte es beim Hinlegen wachwerden, kann man es einfach weiterstillen und es wird sicherlich wieder schnell in den Schlaf finden.

 

Federwiegen

Manchen Müttern fällt das Tragen des Babys aus gesundheitlichen Gründen schwer. Es gibt allerdings auch Babys, denen das Getragenwerden im Tragetuch oder Babytrage zu eng ist. Hierfür hat sich bei manchen Babys eine Federwiege* bewährt. Im Vergleich zu gewöhnlichen Wiegen, schaukeln die Federwieden nicht von links nach rechts, sondern wippen langsam und stetig auf und ab. Das Baby erinnert diese Bewegung an das Getragenwerden aus dem Mutterleib, was eine beruhigende und ermüdende Wirkung hat.

 

Pucken

Was für uns Eltern im ersten Augenblick eher beklemmend aussehen mag, ist für viele Babys ein wohltuendes Gefühl. Das Pucken. Hierbei wird das Baby in ein Tuch eingewickelt, sodass ihm nur noch sehr wenig Bewegungsfreiraum zur Verfügung steht. Dies erinnert das Baby, an die zuletzt sehr beengte Umgebung aus dem Mutterleib. Einige Babys neigen zudem dazu im Schlaf mit ihren Gliedern zu strampeln. Dadurch fällt es ihnen schwer einzuschlafen oder sie wecken sich selber wieder auf.

Fazit:

Wir Eltern haben aus einem bestimmten Grund einen elterlichen Instinkt.

Hört auf ihn!

Es gibt einen Grund, warum die meisten traditionellen Experten für Babyschlaftraining selbst keine Kinder haben. Sie würden es sicherlich nicht befürworten, wenn sie wüssten, wie es sich anfühlt, wenn ihnen das Herz in zwei Teile zerrissen wird?

Hört auf euer Bauchgefühl!

Fühlt es sich gut an, wenn ihr euer Baby schreien lasst?

Mit Sicherheit nicht!

Als Mama von drei Kindern weiß ich, wie stressig manche Nächte sein können, aber bevor ihr euch anraten lasst, euren Kindern das Schlafen anzutrainieren, schaut euch erst einmal nach Alternativen um. Davon gibt es genügende. Es gibt auch wunderbare Bücher, die voll und ganz auf die Bedürfnisse eures Babys eingehen. Ein paar davon findet ihr in diesem Beitrag. Sie zeigen u.a. auf, wie man das Urvertrauen von Babys stärken, ihre Signale erkennen, und eine starke, vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung aufbauen kann.

Lasst euch von niemandem verunsichern. Ihr könnt eure Kinder nicht mit Liebe verwöhnen. Lasst eure Kinder nicht alleine. Nehmt sie in den Arm. Immer und immer wieder. Hier findet ihr auch noch einen Beitrag zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Co-Sleeping.

 

Alles Liebe eure

 

   Belle

Alternativen zu Schlaftrainings

Meine Lieblingsbücher

Literatur:
Renz-Polster, H. (2014). http://blog.kinder-verstehen.de/babyschlaf-und-ferbern/

Herbert Renz-Polster & Nora Imlau – “Schlaf gut, Baby”*

Gresens, R. (2016). Intuitives Stillen. München: Kösel-Verlag.

Price, A. M. H, Wake, M., Ukoumunne, O. C., & Hiscock, H. (2012). Five-Year Follow-up of Harms and Benefits of Behavioral Infant Sleep Intervention: Randomized Trial. Pediatrics, 130 (4), 634-651. DOI: 10.1542

Sarah Ockwel-Smith – The gentle sleep book*

Margot Sunderland – “Die neue Elternschule”*

4 Kommentare

  1. Toller Beitrag und solch ein wichtiges Thema.
    Warum sind die Menschen nur so blind geworden – für eigene Gefühle und Instinkte??? Wo ist der Menschenverstand?
    Das Buch „Artgerecht“ kann ich auch mega empfehlen!!! Die Frau ist spitze!!!
    Ganz liebe Grüße von
    DieReiseRitter
    https://www.diereiseritter.com

    Antworten
    • Liebe Justina, vielen lieben Dank für dein Kommentar. Ich finde es auch sehr schade, was das Mehrgenerationentraumata, das Schreienlassen der Babys und Kleinkinder über die Jahre hinweg verursacht hat. Als wir unser erstes Kind bekamen, wurden wir schon direkt nach der Geburt mit gut gemeinten Ratschlägen überflutet, wie man am besten das Baby zum Schlafen bringt und, dass man es ja ruhig mal schreinen lassen soll. Das kräftigt die Lungen. JAU, IS´KLAR! Und bloß nicht neben mir schlafen lassen, oder gar auf mir drauf, ich könnte es so ja verwöhnen. Ich habe mich aber nie verunsichern lassen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich meine Kinder ganz nah bei mir haben soll, dass sie mich brauchen. Nicht nur am Tage, sonder auch in der Nacht. Auch, wenn es manchmal anstrengende Zeiten geben kann. Ich war immer da.
      Ich bin froh, dass immer mehr Eltern auf ihre Intuition hören und wünsche mir, dass sie sich nicht von Schlaftrainings Ratgebern negativ beeinflussen lassen.

      Antworten
  2. Super Beitrag, Belle! Hast du ganz toll geschrieben. Ich wünschte, ich hätte damals schon dein Wissen gehabt, als ich meine Kinder zur Welt brachte. Ich glaube, ich habe ganz viel bei meinen Kindern versaut. Wie sehr ich das heute bereue. Schade, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann. Ich würde ganz vieles anders machen.
    An alle Mütter, die meinen Kommentar hier lesen: Nehmt euch die Empfehlungen hier ernsthaft zu Herzen. Sie stimmen. Ich weiß aus Erfahrung, was es heißt, seine Babies und Kinder in der Nacht schreien bzw. weinen zu lassen. Es gibt nichts Schlimmeres für sie. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Das brauchen sie nicht. Je älter sie werden, desto schwierigere Probleme bekommen sie. Mein Sohn ist heute voller Agressionen mir gegenüber. Jetzt weiß ich auch, warum! Weil er sein Urvertrauen verloren hat durch dieses beschissene Schlaftraining. Schlaftrainings sind für den Mülleimer!! Sie bringen überhaupt NICHTS!!

    Antworten
    • Meine liebe Nicki, vielen lieben Dank für dein Kommentar. Du wusstest es damals einfach nur nicht besser. Du brauchst dir keine Schuldzuweisungen machen. Es ist ja sogar heute noch so, dass Eltern angeraten wird, mit ihren Babys ein Einschlaftraining zu machen. Und als frischgebackene Mama lässt man sich auch einfach schnell von der Gesellschaft verunsichern. Als ich klein war, wurde den Eltern auch noch angeraten die Babys schreien zu lassen. Das stärkt ja auch die Lungen, so sagte man. Bis heute habe ich Angst vor dem Alleinesein, Angst vor der Dunkelheit und Angst davor verlassen zu werden. Es hat lange gebraucht, bis ich verstanden habe, woher diese Ängste resultieren konnten. Jetzt arbeite ich an der Heilung meines inneren Kindes. Als meine Kinder geboren wurden, wurde mir auch noch angeraten, man solle das Baby auch ruhig mal schreien lassen, sonst würde es mir später auf der Nase herumtanzen. Ich wusste noch nichts über das Thema „bedürfnisorientierte Elternschaft“, aber eine leise Stimme in mir wies mich immer wieder darauf hin, nicht auf die anderen zu hören, meine Kinder wahrzunehmen und nicht schreien zu lassen.

      Hast du, liebe Nicki, mit deinem Sohn schon mal über deine Schuldgefühle gesprochen? Ich denke schon, dass du es schaffen kannst die Beziehnung zu deinem Sohn wieder aufzubauen. Ich denke nicht, dass es zu spät ist. Es ist nie zu spät. Jetzt ist es zusätzlich ja zusätzlich ja auch noch mitten in der Pubertät, aber ich glaube schon, dass du mit ganz viel Liebe es schaffen kannst, dass sich eure Mutter-Sohn-Bindung wieder verfestigt. Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Liebe. Und – du bist eine gute, liebevolle und aufopfernde Mama. Du hast es damals nicht besser gewusst und wolltest deinen Kindern ja nicht schaden. Aber ich verstehe was du meinst. Ich wünsche euch alles erdenklich gute!

      Antworten

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